Dr. Günter Kargl vom Österreichischen Institut für Weltraumforschung erörtert den wichtigen Beitrag des österreichischen CoPhyLab-Projekts (Comet Physics Laboratory) zur Weltraumforschung. Das Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Weltraumforschungsinstituten aus vielen Ländern. CoPhyLab hilft der Wissenschaft, die wichtigen Erkenntnisse der Rosetta-Mission der ESA besser zu verstehen.
Dr. Günter Kargl, 30. November 2021
Kometen sind kleine eisige Objekte, die sich an den Rändern unseres Sonnensystems aufhalten. Sie haben die Menschheit schon immer fasziniert. Im Altertum galten sie als Vorboten des Wandels und des Unheils. Zwar gibt es schriftliche Aufzeichnungen über Besen- oder Gaststerne aus Quellen in China und Mesopotamien, doch ihre wahre Natur blieb lange Zeit ein unlösbares Rätsel. Ihre wiederkehrende Natur wurde bereits in Babylon auf Tontafeln festgehalten – insbesondere der Komet, der heute als Halleyscher Komet bekannt ist. Eben dieser Komet war auch im mittelalterlichen Italien zu sehen und inspirierte Giotto dazu, ihn in sein Geburtsgemälde aufzunehmen. Darstellungen wie diese gaben Anlass zu Spekulationen, dass es sich bei dem Stern von Bethlehem um eine Supernova oder einen Kometen handelte – vielleicht sogar um den Halleyschen Kometen.
Erst mit dem Aufkommen der modernen Astronomie und dem Einsatz von Teleskopen konnte festgestellt werden, dass es sich bei Kometen nicht um ein atmosphärisches Phänomen handelt, sondern um kleine Objekte, die den Himmel und manchmal auch das Innere unseres Sonnensystems durchqueren. Die moderne Astronomie ermöglichte ein besseres Verständnis der allgemeinen Struktur, die einen Kometen charakterisiert. Der innere Teil, der Kern, ist die aktive Quelle von Gas und Staub, wenn der Komet sich der Sonne nähert.
Die Koma ist die neblige Hülle aus Gas und Staub, die vom Kometenkern erzeugt wird. Die Koma kann Hunderttausende von Kilometern groß sein und nach heftigen Ausbrüchen der Sonne deren Durchmesser erreichen oder sogar übertreffen. Da jedoch das Licht der Sonne den größten Teil des Gases in der Koma ionisiert, werden die Ionen mit den geladenen Teilchen des Sonnenwindes fortgetragen. Auf diese Weise entsteht der Ionenschweif des Kometen, der dem Sonnenwind genau folgt. Auch der Staub in der Koma bewegt sich auf einer Keplerschen Bahn vom Kern weg. Auf diese Weise bildet ein aktiver Komet zwei unterschiedliche Schweife, die sich über Millionen von Kilometern vom Kern weg erstrecken können.
Die Erfindung der Spektroskopie ermöglichte es den Wissenschaftlern, die Zusammensetzung der Koma und des Gasschweifs von aktiven Kometen zu bestimmen. Da der auffälligste Bestandteil dieser spektroskopischen Fernbeobachtungen Wasser war, ging man davon aus, dass die Kometen ausschließlich aus Wassereis bestehen. Der berühmte Astronom Fred Whipple prägte den Begriff „schmutzige Eiskugel“, der bis zur ersten Weltraummission, die nahe am Kometen 1P/Halley vorbeiflog, verwendet wurde. Die Giotto-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) entdeckte ein sehr dunkles und komplexes Objekt, das nicht den heutigen Annahmen über Kometen entsprach.
Um Kometen und ihre Entstehung genauer zu untersuchen und ein besseres Verständnis des gesamten Sonnensystems zu erlangen, wurde die Rosetta-Mission der ESA ins Leben gerufen. Nach ihrer Konzeption sollten mehr als zehn Jahre vergehen, bis das Design der Mission für eine so seltsame und unbekannte Umgebung fertiggestellt werden konnte. Nach einem zehnjährigen Flug und mehr als zwei Jahrzehnten nach dem Start der Mission erreichten Rosetta und der Lander Philae schließlich 2014 den Kometen 67P Tschuriomow-Gerasimenko, um dessen Kern und die unmittelbare Umgebung des Kometen zu untersuchen. Die Mission war recht erfolgreich und sammelte neue Daten, darunter die Erkenntnis, dass einige Kometenkörner älter sind als das Sonnensystem und auf den Entstehungsprozess der protoplanetaren Wolke zurückgehen. Zu den weiteren Erkenntnissen gehörte die Entdeckung, dass sich das Isotopenverhältnis des Kometenwassers deutlich von dem auf der Erde unterscheidet und dass Kometen daher keine wichtige Wasserquelle für unseren Planeten darstellen. Es entstand ein neues, vollständigeres Bild davon, wie Kometen wirklich aussehen: Sie ähneln eher eisigen Schmutzkugeln mit einer komplexen Oberflächentopologie und gehören zu den dunkelsten Objekten in unserem Sonnensystem.
Obwohl die Rosetta-Mission recht erfolgreich war, gaben einige Daten der Mission den Wissenschaftlern noch immer Rätsel auf. Ein Beispiel war die Aktivität direkt an der Oberfläche des Kerns. Einige Verhaltensmuster konnten mit den bestehenden Modellen nicht erklärt werden. Ein allgemeineres Problem bei Weltraummissionen besteht darin, dass es eine Reihe von sehr hoch entwickelten Sensoren und Instrumenten gibt, im Weltraum die Entflechtung der verschiedenen Parameter, die zu einer Messung beitragen, aber manchmal nicht unter der Kontrolle des Instrumentenbedieners stehen. Dies liegt nicht am Bediener oder an der Konstruktion der Instrumente, sondern daran, dass die Natur selbst vernetzte Prozesse durchführt und die Umgebung im Weltraum sehr komplex ist. Daher gibt es für diese Art von Problemen in der Praxis drei Ansätze: 1.) es werden tatsächliche Messungen mit den besten Instrumenten durchgeführt, die für eine solche Umgebung entwickelt werden können; 2.) es werden physikalische Modelle und deren mathematische Beschreibungen verwendet, um die Messungen zu erklären und ein besseres Verständnis der beobachteten Phänomene zu erlangen; und 3.) es wird in Laborexperimenten versucht, die einzelnen Parameter zu trennen, um ein besseres Verständnis der Phänomene und ihres Beitrags zum Gesamtverhalten des Kometen zu erhalten.
Das österreichische Projekt CoPhyLab (Comet Physics Laboratory) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beinhaltet diese Art von Laborexperimenten, um die Ergebnisse der Rosetta-Mission besser zu verstehen. Die ursprünglichen Projektpartner waren die Technische Universität Braunschweig in Deutschland, das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und die Universität Bern in der Schweiz. Ziel war es, in Braunschweig ein eigenes Kometenlabor einzurichten. Inzwischen haben sich weitere Partner wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Max-Plank-Institut für Sonnensystemforschung, die Chinesische Akademie für Wissenschaft und Technologie und viele andere dem Projekt angeschlossen.
Im Rahmen dieses Projekts können Laborexperimente durchgeführt werden, bei denen mehr als vierzehn Instrumente das Probenmaterial in der Thermalvakuumkammer gleichzeitig beobachten können. Die Beobachtungen reichen von einfachen Temperaturmessungen über Messungen mit Massenspektrometern und mehreren Kamerasystemen (z.B. für Infrarotaufnahmen) bis hin zu Hochgeschwindigkeitskameras zur Beobachtung des Partikelauswurfs von der Oberfläche. Ein weiterer neuer Aspekt ist ein Manipulationsroboter in der Kammer, der im Hochvakuum und bei Temperaturen von bis zu -200°C arbeiten kann, um Sensoren nahe an die Oberfläche oder sogar ins Innere der Probe zu bringen.
Eine besondere Herausforderung für Laborexperimente zu Kometenprozessen ist die Wahl der Materialien. Da es hier auf der Erde keine direkte Kometenmaterie gibt, muss man so genannte „analoge Materialien“ verwenden. Das sind Materialien, die auf der Erde leicht verfügbar oder herstellbar sind. Die Materialien sollen keine exakten Nachbildungen von echten Kometenmaterialien sein, sondern ein vergleichbares Verhalten für bestimmte Prozesse aufweisen. Dies ist recht schwierig, da die Materialeigenschaften im Komakern von winzig, porös und flauschig (wie Zigarettenasche) bis hin zu steinharten Felsbrocken reichen können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Materialeigenschaften aufgrund von Prozessen wie der Sublimation von Eis oder thermischen Zyklen von einem Extrem zum anderen wechseln können. Natürlich war die Auswahl der Versuchsmaterialien im Laufe der Jahre und in den einzelnen Labors sehr unterschiedlich. Dies erschwerte den Vergleich von Versuchsergebnissen zwischen verschiedenen Messkampagnen.
Eines der Ziele von CoPhyLab ist daher die Entwicklung eines Standards sowohl für die eisigen als auch für die mineralischen Komponenten von kometaren Analogmaterialien. Solche Standards gibt es bereits seit einiger Zeit für Oberflächenregolith auf dem Mond oder dem Mars, basierend auf den Bemühungen der NASA. Ein solcher Standard für kometare Analogmaterialien kann dann veröffentlicht und anderen Labors weltweit zur Verfügung gestellt werden, um den Austausch von Messdaten zu erleichtern und ein besseres Verständnis für kometare Prozesse zu erhalten.
Weitere Informationen zu diesem Projekt und zu den Kometenmissionen der ESA finden Sie unter:
CoPhyLab: www.cophylab.space
ESA Giotto Mission: https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Giotto_overview
ESA Rosetta Mission: https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Rosetta