Skip to main content

Essen und Ernährung sind selten aus dem Fokus der Öffentlichkeit oder der Medien verschwunden. Ob es um den übermäßigen Konsum von rotem Fleisch oder die Aufnahme ungesunder Mengen an Zucker durch allgegenwärtige Softdrinks und süße Frühstücksgebäcke geht – die Debatte über gesunde und ungesunde Ernährungsweisen nimmt stetig zu.

Die Ernährungsweise in Westeuropa und Nordamerika ist geprägt von einer riesigen Auswahl an günstigen, hochverarbeiteten Lebensmitteln wie Keksen, Kuchen, Backwaren, Frühstückszerealien und salzigen Snacks. Die Lebensmittelindustrie („Big Food“) dominiert die Supermarktregale und stellt Profit über Gesundheit. Künstliche Süßstoffe, ungesunde Zusatzstoffe und eine Vielzahl ultra-verarbeiteter Lebensmittel (UPF) sind längst zur Norm geworden. Dies hat nicht nur zu einer chronischen Gesundheitskrise im Westen geführt, sondern auch dazu beigetragen, dass diese ungesunde Ernährungsweise weltweit verbreitet wurde.

Besonders junge Menschen sind von dieser Krise betroffen, die durch den unkontrollierten Konsum von Fast- und Junk-Food ausgelöst wurde. Laut dem Wall Street Journal sind fast 30 % der amerikanischen Teenager prädiabetisch, über 18 % der jungen Erwachsenen leiden an nicht-alkoholischer Fettleber, und mehr als 40 % der 22- bis 44-Jährigen sind fettleibig.

Die Auswirkungen dieser Junk- und Fast-Food-Epidemie sind nicht nur auf individueller und gesellschaftlicher Ebene gravierend, sondern verursachen auch immense wirtschaftliche Kosten – etwa durch steigende Ausgaben im Gesundheitswesen, negative Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit und andere langfristige Folgen einer ungesunden Ernährung.

Dieses Thema steht nun im Mittelpunkt der bevorstehenden US-Wahlen. Robert F. Kennedy Jr. hat sich mit dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump zusammengeschlossen, um unter dem Slogan „Make America Healthy Again“ die amerikanische Ernährungsweise zu reformieren. RFK Jr. fordert eine stärkere Verantwortung von „Big Food“ und setzt sich für Reformen im Lebensmittel-, Medizin- und Patentsystem ein.

Doch machen westliche Ernährungsweisen Menschen wirklich krank? Oder – im Extremfall – töten diese Lebensmittel ihre Konsumenten? Und falls ja, wie genau?

Dieser Frage gingen die Gastroenterologen Herbert Tilg und Timon Adolph von der Medizinischen Universität Innsbruck in Österreich nach. Durch eine Kombination aus Literaturrecherche und klinischen Ernährungsstudien untersuchten sie, ob die sogenannte „westliche Ernährung“ tatsächlich gesundheitsschädlich ist und im schlimmsten Fall zum frühzeitigen Tod führt.

Ihre Ergebnisse wurden am 31. Juli 2024 in einem peer-reviewed Artikel mit dem Titel „Western diets and chronic diseases“ in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht. Die Wissenschaftler betonen, dass sowohl medizinische Fachkräfte als auch die Gesellschaft als Ganzes dringend auf die schädlichen Auswirkungen der westlichen Ernährung reagieren müssen, um nachhaltige Veränderungen herbeizuführen und die Gesundheit zukünftiger Generationen zu verbessern.

Was zählt laut Experten der Lebensmittelindustrie zur westlichen Ernährung?

Allgemein wird die westliche Ernährung durch einen hohen Anteil an ultra-verarbeiteten Lebensmitteln (UPF) definiert. Dazu gehören industriell verpackte Produkte, raffinierte Getreideprodukte, rotes Fleisch, verarbeitetes Fleisch (wie Würstchen, Salami oder Prosciutto), zuckerhaltige Getränke (Cola, Fruchtsäfte), Süßigkeiten, frittierte Speisen, fettreiche Milchprodukte sowie Lebensmittel mit hohem Fruktosegehalt (z. B. Süßstoffe in Getränken und verarbeiteten Lebensmitteln).

Diese Ernährungsweise wird oft als Standard American Diet (SAD) bezeichnet und ist zusätzlich gekennzeichnet durch eine geringe Aufnahme von frischem Gemüse, Obst und Vollkornprodukten sowie einen hohen Alkoholkonsum. Eine solche Ernährung beeinträchtigt die Funktion des Darms und seines Mikrobioms erheblich. Beispielsweise führt der Mangel an Ballaststoffen – die normalerweise in Vollkorngetreide, Obst und Gemüse enthalten sind – und deren Ersatz durch Lebensmittelzusätze wie Emulgatoren und künstliche Süßstoffe zu einer Schädigung der Darmflora und begünstigt damit Krankheiten.

Wie beeinflusst die westliche Ernährung den Körper?

Tilg und Adolphs Forschung untersuchte die Auswirkungen dieser Ernährungsweise auf den Stoffwechsel und Entzündungsprozesse im menschlichen Körper, den Einfluss auf das Darmmikrobiom sowie die Verbindung zur psychischen Gesundheit, zur Herz-Kreislauf-Gesundheit und zur Krebsrate. Die Forscher analysierten rund 300 wissenschaftliche Studien, um herauszufinden, ob ein Zusammenhang zwischen der sogenannten westlichen Ernährung und chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas, Typ-2-Diabetes sowie Darm- und Lebererkrankungen besteht.

Die Ergebnisse zeigen, dass der regelmäßige Konsum von Lebensmitteln mit hohem Zucker- und Fettgehalt, aber geringem Ballaststoffanteil das Risiko für chronische Erkrankungen erhöht, indem er Entzündungen fördert und die Darmgesundheit verschlechtert.

Forderung nach besserer Aufklärung und nachhaltigen Ernährungsstrategien

Die Wissenschaftler betonen die dringende Notwendigkeit, dass Fachkräfte im Gesundheitswesen sowie öffentliche Gesundheitseinrichtungen verstärkt über die schädlichen Auswirkungen der westlichen Ernährung aufklären. Gleichzeitig müsse eine globale Diskussion über die Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit gesunder Ernährung angestoßen werden.

Tilg und Adolph rufen alle Beteiligten – von politischen Entscheidungsträgern bis hin zu Konsumenten – dazu auf, gesunde Lebensweisen zu fördern. Dies könne durch evidenzbasierte Bildungsprogramme, gezielte gesetzliche Maßnahmen sowie finanzielle Anreize durch Krankenkassen geschehen.

Gesundheit durch Regulierung: Wie politische Maßnahmen zu besseren Ernährungsentscheidungen führen könnten

Regierungsseitig eingeführte gesetzliche Regelungen und Anreize im (medizinischen) Versicherungssystem könnten Menschen dazu bewegen, gesündere Ernährungsentscheidungen zu treffen. In einem Interview mit österreichischen Medien sprach Timon Adolph über den Anstieg chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, verschiedener Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen. „Die westliche Ernährung macht krank“, erklärte er. „Nun müssen klinische Studien genauer nachweisen, welche Bestandteile zu welchen Krankheiten führen und wie genau sie sich negativ auswirken.“

Adolph betonte zudem, dass nicht jeder Mensch auf die gleiche Weise krank werde und dass nicht alle gesunden Ernährungsweisen für jeden gleich gut verträglich seien. Zu den problematischen Faktoren zählen laut ihm langkettige Fettsäuren, Zucker, ein übermäßiger Fleischkonsum und der damit verbundene erhöhte Cholesterinspiegel. „Westliche Ernährungsweisen, die reich an Zucker und Fett, aber arm an Ballaststoffen sind, erhöhen das Risiko chronischer Erkrankungen, indem sie systemische Entzündungen und eine gestörte Darmflora (Dysbiose) begünstigen.“ Dies sei mittlerweile ein weltweites Problem, da die „Verwestlichung der Ernährung“ nicht mehr nur Europa und die USA betreffe, sondern weltweit zu beobachten sei.

Was wir von den „Blue Zones“ über gesunde Ernährung lernen können

Bestimmte geografische Regionen auf der Welt, die als Blue Zones bekannt sind, weisen eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Menschen auf, die zwischen 80 und 89 Jahren (Oktogenarier), 90 und 99 Jahren (Nonagenarier) oder sogar zwischen 100 und 109 Jahren (Zentenarier) alt werden. Diese Personen werden oft als Superager bezeichnet, da ihr Gehirn deutlich langsamer altert als der Durchschnitt und sie sowohl geistig als auch körperlich eine bemerkenswerte Fitness bewahren.

Die Netflix-Dokumentation „Live to 100: Secrets of the Blue Zones“ aus dem Jahr 2023 untersuchte die Geheimnisse der Langlebigkeit in fünf Regionen: Sardinien (Italien), Nicoya (Costa Rica), Okinawa (Japan), Ikaria (Griechenland) und Loma Linda (Kalifornien, USA). Dabei wurden erstaunliche Gemeinsamkeiten im Lebensstil der Bewohner festgestellt: eine überwiegend pflanzliche Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, geistig anregende und soziale Hobbys sowie ein starkes Gemeinschafts- und Familienbewusstsein.

Die Herausforderungen der westlichen Ernährung und der Einfluss von Big Food

Die westliche Ernährung wird von einer Vielzahl weitreichender und komplexer Faktoren geprägt. Dazu zählen die zunehmende Verfügbarkeit günstiger Fast-Food-Ketten, die Marktdominanz weniger großer Supermarktketten, der Einsatz von industriell entwickelten Zusatzstoffen in Lebensmitteln sowie die Zurückhaltung vieler Regierungen, sich aktiv mit wirksamen Ernährungspolitiken auseinanderzusetzen.

Die Blue Zones liefern jedoch eine Blaupause für gesündere Ernährungs- und Lebensstilentscheidungen. Nun liegt es an den Politikern, die Macht der Lebensmittelindustrie (Big Food) zu begrenzen und gesunde Ernährung sowohl erschwinglicher als auch zugänglicher zu machen. All dies unterstreicht eine alte Weisheit, die heute relevanter ist denn je: „Du bist, was du isst.“

Bild: Fast Food
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner