Eine der größten Ausstellungen aller Zeiten – die Wiener Weltausstellung von 1873 – feiert ihr 150-jähriges Bestehen. Die Wiener Weltausstellung war ein Zeugnis des industriellen Fortschritts der österreichisch-ungarischen Monarchie und löste einen beispiellosen Boom in der Stadtentwicklung Wiens aus. Damals war Wien das Zentrum der Kunst, Wissenschaft, Architektur und Medizin. Mit insgesamt 53 000 Ausstellern in 194 Pavillons aus 35 Ländern war die Wiener Weltausstellung einzigartig und großartig. Sie war eine der allerersten globalen Veranstaltungen dieser Art.
Yegor Shestunov, 15. Dezember 2023
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Am Höhepunkt der österreich-ungarischen Monarchie fand im Jahr 1873 die Wiener Weltausstellung statt. Wien des Fin de Siècle stand im Zeichen der Gründerzeit, dem Bau der Ringstraße und der Wiener Weltausstellung von 1873. Dieses Jahr jährt sich diese monumentale Ausstellung, die fünfte internationale Weltausstellung ihrer Art, zum 150. Mal. Sie fand von Mai bis November 1873 statt und war ein prägender Moment für die Hauptstadt des Habsburgerreiches. Kaiser Franz Joseph Habsburg-Lothringen (1830-1918) war zur Zeit der Wiener Weltausstellung der Herrscher der österreichisch-ungarischen Monarchie und Wien war das Zentrum der damaligen Welt.
Während der Regierungszeit Franz Josephs erlebte Österreich seine industrielle Revolution. Die heute als Gründerzeit bezeichnete Periode (1848-1918) war eine Zeit großer sozialer Umwälzungen und industrieller Entwicklung. Das Kaiserreich erlebte einen großen wirtschaftlichen Aufschwung und die Einwohnerzahl der Stadt Wien stieg bis 1918 auf zwei Millionen an. Das starke Bevölkerungswachstum löste eine enorme Wohnungsknappheit aus, die wiederum zu einem Bauboom von Wohnhäusern führte, deren Ergebnis noch heute das Wiener Stadtbild prägt.
Ein weiteres prägendes Ereignis war der Bau der Ringstraße an der Stelle der alten Stadtmauer. Durch den Ring wurde die Wiener Innenstadt durch den Bau monumentaler Gebäude erweitert. Es wurde ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben, die erste internationale öffentliche Ausschreibung im Bereich der Architektur und Stadtplanung.
Um sein neues Gefühl von Modernität und Bedeutung zu feiern, veranstaltete Wien 1873 die Weltausstellung. Inspiriert von London und Paris präsentierte sich Wien 1873 mit dem herausragenden Projekt der Ringstraße und ihren monumentalen Bauten, die gleichzeitig als Machtdemonstration, als Schaufenster bürgerlicher Errungenschaften und als glanzvolles Fest dienten. Die grandiose Ausstellung wurde zur Plattform für die Weltpolitik, gab den Anstoß für viele Innovationen und zementierte Wien als Metropole von Weltrang.
Die Wiener Weltausstellung sollte alle bisherigen Ausstellungen übertreffen. Auf einem Gelände, das fünfmal so groß war wie das der vorherigen Pariser Ausstellung, präsentierten sich 53 000 Aussteller aus 35 Ländern. Zu den architektonischen Meisterwerken gehörten der Industriepalast mit der damals größten Kuppel der Welt und die 800 Meter lange Maschinenhalle. Insgesamt wurden 194 Pavillons errichtet, viele in extravaganten Baustilen.
Ziel der Ausstellung war es, das zeitgenössische kulturelle Leben und die wirtschaftliche Entwicklung darzustellen. Sie war ein Zeugnis für den industriellen Fortschritt des Reiches. Länder wie Japan, Marokko, Ägypten, Tunesien, Persien und das Osmanische Reich präsentierten sich zum ersten Mal mit eigenen Pavillons. Dies ermöglichte einen noch nie dagewesenen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch auf globaler Ebene.
Trotz der ehrgeizigen Planung, die mit 20 Millionen Besuchern rechnete, kamen aufgrund eines Börsenkrachs und einer Choleraepidemie nur 7,25 Millionen. Dennoch blieb die Ausstellung ein wichtiges Ereignis in der Geschichte Wiens und der Welt.
Die Wiener Polizei bereitete sich mit einer Reihe von Reformen auf die Weltausstellung vor. Die Gründung der Wiener Sicherheitswache im Jahr 1869 war ein wichtiger Schritt zur Gewährleistung der Sicherheit auf der Expo. Unter der Leitung von Anton Ritter von Le Monnier, einem Mitglied der Weltausstellungskommission, wurde eine spezielle Polizeiabteilung eingerichtet, die auch über Fremdsprachenkenntnisse verfügte.
Die Weltausstellung trug wesentlich zur Stadtentwicklung bei. Hotels wurden gebaut, darunter das Hotel Austria am Schottenring, das später als Polizeipräsidium Wiens diente. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes, die Regulierung der Donau und der Bau der 1. Wiener Hochquellenwasserleitung waren weitere wichtige infrastrukturelle Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Aufstieg Österreich-Ungarns markierten.
Die Ausstellung hatte einen nachhaltigen Einfluss auf Kultur und Kunst. Die Einführung des Jugendstils, inspiriert vom japanischen Farbholzschnitt, war ein herausragendes Beispiel für den kulturellen Austausch. Mit der Gründung der Wiener Secession im Jahr 1897 wurde Wien zu einem Zentrum dieser neuen Kunst, in dem Künstler wie Gustav Klimt, Koloman Moser, Josef Hoffmann und Josef Engelhart im Mittelpunkt dieser neuen globalen Fin-de-Siecle-Bewegung standen. Die Wiener Weltausstellung führte auch zur Gründung von Museen und zum Aufbau von Sammlungen, die noch heute von Bedeutung sind.
Eine Besonderheit war der Frauenpavillon, der dem Thema „Frauen in der Arbeitswelt“ gewidmet war. Diese Tradition eines speziellen Frauenpavillons wurde von späteren Weltausstellungen übernommen und spiegelte einen Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Rolle der Frau wider.
Anlässlich dieses besonderen Jubiläums finden in Wien zahlreiche Veranstaltungen und Sonderausstellungen statt. In einem zweijährigen Forschungsprojekt wurde eine digitale Plattform geschaffen, die alle Objekte des japanischen Pavillons auf der Weltausstellung zusammenführt.
Das MAK (Museum für angewandte Kunst Wien) beleuchtet in einer Sonderausstellung das orientalistische Konstrukt des 19. Jahrhunderts. Die kritische Auseinandersetzung mit der Repräsentation des Orients, insbesondere Ägyptens und Japans, hinterfragt die ästhetischen Entscheidungsprozesse und die politischen und kulturellen Rahmenbedingungen der Weltausstellung. Die Ausstellung präsentiert wichtige Objekte aus der Sammlung des MAK, die in engem Zusammenhang mit dieser Weltausstellung stehen. Eine weitere Ausstellung anlässlich des 150-jährigen Jubiläums findet im Wiener Weltmuseum statt. Diese Ausstellung wird bis zum 31. Dezember 2023 zu sehen sein.
Wien ist wieder zu einer internationalen Stadt geworden, zu einem der drei UN-Sitze. Es befindet sich wieder im Zentrum Europas, wenn auch nicht mehr wie früher im „Zentrum der Welt“.