Vor kurzem wurde in Ägypten bei Reinigungsarbeiten im 3900 Jahre alten Grabmal des Pharaonen Djefaihapy eine verborgene Grabkammer entdeckt. Diese Entdeckung verspricht, neue Perspektiven auf das Mittlere Reich des alten Ägypten zu eröffnen, eine Zeit, die von bemerkenswertem Reichtum, Innovation und Kunstfertigkeit geprägt war – trotz der begrenzten Überreste, die wir heute besitzen.
Aly Mahmoud
11. November 2024
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Eine gemeinsame archäologische Ausgrabungskampagne unter der Leitung der Ägyptischen Universität Sohag und des Ägyptologischen Instituts der Freien Universität (Deutschland), zusammen mit Teams der Universität Kanazawa (Japan) und der Polnischen Akademie der Wissenschaften, gab am 2. Oktober 2024 die Entdeckung der Grabkammer von Edi, der Tochter des Gouverneurs von Assiut während der Herrschaft von König „Senusret I“ bekannt.
Diese seit 20 Jahren bestehende Zusammenarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Jochem Kahl von der Reie Universität Berlin führte zur Entdeckung von bisher unerforschten Grabschächten, von denen einige architektonisch einzigartig sind, darunter ein 28 Meter tiefer Schacht, der erst nach sechs Saisons vollständig ausgegraben wurde. Eine dieser Grabstätten, Grab I, gehört dem Provinzgouverneur Djefaihapi I (ca. 1900 v. Chr.) und gilt als das größte Grab auf dem Berg Asyut Al Gharbi.
Die versteckte Grabkammer der Pharaonin „Edi“ © Ägyptisches Ministerium für Tourismus und Altertümer
Inschriften von Begräbnistexten, die die altägyptische Reise ins Jenseits darstellen © Ägyptisches Ministerium für Tourismus und Altertümer
Der Holzsarg der „ Edi“ © Ägyptisches Ministerium für Tourismus und Altertümer
Djefaihapi (auch ‚Difai-Hapi‘) regierte die Region Assiut von etwa 1961 bis 1915 v. Chr. Seine Grabstätte, Grab 1, gilt als das größte erhaltene nicht-königliche Felsengrab des alten Ägyptischen Reiches der Mitte. Es ist etwa 120 Meter lang und hat eine Decke von mehr als 11 Metern Höhe. Diese Region war bekannt für ihre florierenden Handelswege, ihren Reichtum an Mineralien und Gold und ihre Nähe zu Nubien.
Kürzlich entdeckte das Grabungsteam bei einer Exkavation, die ursprünglich darauf abzielte, den Schacht des Grabes von Djefaihapi zu reinigen, die lange verborgene Grabkammer der Pharaonin Edi, der einzigen Tochter von Djefaihapi. Diese Entdeckung wird dazu beitragen, das altägyptische Mittlere Reich besser zu verstehen, eine Epoche, die oft im Schatten des durch die Pyramiden bekannt gewordenen Alten Reichs und des durch König Tutanchamun berühmt gewordenen Neuen Reichs steht.
Die Grabkammer von Edi befand sich in einer Seitenkammer, die durch Trümmersteine in einem vertikalen Schacht verschlossen war. Nach Angaben von Dr. Mohamed Ismail Khaled, Generalsekretär des Ägyptischen Obersten Rates für Altertümer, wurde die Kammer in 15 Metern Tiefe im nördlichen Schacht des Grabes ihres Vaters gefunden.
In der Kammer fanden die Archäologen zwei kunstvoll verschachtelte Holzsärge. Ein Sarg wurde in den anderen gestellt, und beide waren mit Inschriften von Grabtexten geschmückt, die die altägyptische Reise ins Jenseits darstellen. Der äußere Sarg ist 2,6 Meter lang, während der innere Sarg 2,03 Meter lang ist. Das Ministerium für Tourismus und Altertümer bezeichnete die Särge als die „prächtigsten“, die je aus dem Mittleren Reich gefunden wurden.
Holzstatue, die in der Grabkammer von „Edi“ gefunden wurde © Ägyptisches Ministerium für Tourismus und Altertümer
Holzstatue, die in der Grabkammer von „Edi“ gefunden wurde © Ägyptisches Ministerium für Tourismus und Altertümer
Das Team fand Hinweise darauf, dass frühere Plünderer die Stätte heimgesucht, Edis Überreste aus den Särgen entfernt und die Kanopenkrüge mit ihren inneren Organen zerstört hatten. Glücklicherweise konnten nach der Ausgrabung einige Artefakte geborgen werden, darunter der Deckel eines der Särge, Fragmente einiger Kanopengläser und einige von Edis Skelettresten.
Diese Kanopenkrüge waren Schlüsselobjekte der altägyptischen Bestattungspraxis und dienten zur Aufbewahrung der einbalsamierten inneren Organe, die während des Mumifizierungsprozesses entfernt wurden. Sie waren in der Regel aus Keramik, Glas oder Fayence gefertigt. Bestimmte Organe wie Eingeweide, Leber, Lunge und Magen wurden zum Schutz in separate Gefäße gelegt, die die Form der Köpfe der vier Söhne des Gottes Horus hatten. Das Herz wurde im Körper belassen, da man glaubte, es sei der Sitz der Seele eines Menschen.
Diese Kanopenkrüge und der konservierte Körper wurden von Experten untersucht, um Einzelheiten über das Leben und das Alter der Person zum Zeitpunkt ihres Todes herauszufinden. Nach einer ersten Analyse von Edis Überresten vermutet Dr. Mohamed Ismail Khaled, Generalsekretär des ägyptischen Obersten Rates für Altertümer, dass Edi möglicherweise einen angeborenen Fußfehler hatte und wahrscheinlich in jungen Jahren, möglicherweise vor ihrem 40. Geburtstag, verstorben war.
Nach dieser Entdeckung bedankte sich der ägyptische Minister für Tourismus und Altertümer, Sherief Fathy, bei der gemeinsamen Ausgrabungskampagne für die Aufdeckung weiterer Geheimnisse der Geschichte des alten Ägyptens und erklärte, dass das Ministerium bereit sei, ähnliche Ausgrabungskampagnen in vollem Umfang zu erleichtern und zu unterstützen, um das bestmögliche Ergebnis ihrer Arbeit zu gewährleisten.
Das Ausgrabungsteam kündigte außerdem an, dass es die geretteten Artefakte von Edi und ihrem Vater weiter untersuchen werde, um ein tieferes Verständnis des Mittleren Reiches und der Stellung der Frau im alten Ägypten zu erlangen.