Die aktuelle Ausstellung im Dom Museum Wien „arm & reich“ widmet sich der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich. Das Spektrum der Ausstellung reicht von fotografischen Arbeiten, die die von Armut Betroffenen und ihr tägliches Elend festhalten, über das luxuriöse Leben der Superreichen bis hin zu gesellschaftskritischen Kunstwerken, die die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die Armut und Ungleichheit verursachen, hinterfragen.
Kerstin Schuetz-Mueller, 4. Juli 2022
Die Arbeitslosigkeit ist weltweit gestiegen. Staatliche und kirchliche Einrichtungen verzeichnen einen Run auf Wohnangebote und Notschlafstellen. Einer von vielen Gründen, warum das Dom Museum Wien (dommuseum.at) der immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich derzeit eine umfangreiche Ausstellung widmet: Die Schau „reich & arm“ will an Wunden rühren, Perspektiven verschieben und den von Armut Betroffenen eine Plattform geben, ihre eigenen Geschichten durch Kunst zu erzählen.
Das Dom Museum Wien am Wiener Stephansplatz neben dem Stephansdom positioniert sich als Ort des aktuellen Diskurses und stellt Themen in den Mittelpunkt, die sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte ziehen, aber heute besonders verhandlungswürdig sind. Angesichts der globalen Gesundheits- und Wirtschaftskrise haben die Themen, die in „reich & arm“ angesprochen werden, enorm an Zugkraft gewonnen. Johanna Schwanberg, Museumsdirektorin und Kuratorin der Ausstellung, ist der Meinung, dass „sozioökonomische Ungleichheit eine grundlegende Konstante verschiedener Gesellschaften und Epochen ist. Neu ist jedoch, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine weltweit gleichzeitig vergrößert hat. Mit dieser Ausstellung schlagen wir weiterhin in bewährter Weise die Brücke zwischen Geschichte und Gegenwart, sakraler und profaner Kunst, zwischen Museumsarbeit und gesellschaftspolitischer Bildungsarbeit, die Teil unserer Identität geworden ist.”
Das Spektrum der Ausstellung reicht von fotografischen Arbeiten, die die von Armut Betroffenen und ihr tägliches Elend festhalten, über das luxuriöse Leben der Superreichen bis hin zu gesellschaftskritischen Kunstwerken, die die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die Armut und Ungleichheit verursachen, in Frage stellen. Eine wichtige Rolle spielen Projekte, bei denen sich Künstler aus ihrem traditionellen Umfeld herauswagen, um in das politische Geschehen einzugreifen. Es geht darum, Hilfe zu leisten und gleichzeitig auf Defizite im öffentlichen Raum hinzuweisen.
Diese Projekte ermöglichen es den von Armut Betroffenen, ihre eigene Geschichte zu erzählen. So arbeitete die Otto-Mauer-Preisträgerin Isa Rosenberger mehrere Monate mit Margarete C., Martina B. und Wilma V. – drei Frauen, die selbst von Obdachlosigkeit betroffen waren oder sind und in einer Einrichtung von VinziRast leben. VinziRast ist eine unabhängige Organisation, die Betten, Unterstützung und Dienstleistungen für Obdachlose in Wien anbietet.
Ein weiteres Projekt, das von Armut Betroffene zu Wort kommen lässt, ist eine dreidimensionale Miniatur-Favela von drei Mitgliedern des international renommierten brasilianischen Kollektivs Projeto Morrinho, die sie im Oktober 2021 vor Ort im Atelier des Museums geschaffen haben und die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist.
Durch die offene ästhetische Struktur der einzelnen Kunstwerke sowie die nicht-lineare, auf Gegenüberstellungen setzende Ausstellungsgestaltung können in „rich & poor“ Fragen nach wirtschaftlicher Ungleichheit und deren Ursachen kritisch thematisiert werden – ohne vorschnelle Antworten geben zu müssen. Die Besucherinnen und Besucher werden angeregt, Verbindungen zwischen Geschichte und Gegenwart, zwischen den Lebensrealitäten von Reichen und Armen, zwischen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und biografischen Hintergründen herzustellen.
In jedem Fall ist die Gegenüberstellung dem Thema inhärent: Armut und Reichtum werden in der Ausstellung stets in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet – um eine differenzierte Betrachtung jenseits stereotyper Schubladen zu ermöglichen.
The objects on display are culled from the museum’s historical holdings and from the Otto Mauer Contemporary collection, as well as loans from St. Stephen’s Cathedral, international private collections, museums, and galleries.
The photo „Bliz-aard Ball Sale“ (1983), by David Hammons, serves as the key visual, used on exhibition posters, catalogs, and printed matter. The photo depicts the artist as a street vendor, dressed in hat and coat on a winter’s day, selling carefully arranged snowballs of various sizes on a striped carpet. An absurd undertaking that can be seen as a critique of consumer society and of the art world itself, while simultaneously addressing questions of exclusion and racism as well as the social situation of people performing precarious labor. The artwork serves as a leitmotif for the “rich & poor” exhibition, as it is deeply socially critical on the one hand, but is also characterized by an extraordinary lightness and an impressive aesthetic visual language.
Die gezeigten Objekte stammen aus den historischen Beständen des Museums und aus der Sammlung Otto Mauer Contemporary sowie aus Leihgaben des Stephansdoms, internationaler Privatsammlungen, Museen und Galerien.
Das Foto „Bliz-aard Ball Sale“ (1983) von David Hammons dient als Schlüsselbild und wird auf Ausstellungsplakaten, Katalogen und Drucksachen verwendet. Das Foto zeigt den Künstler als Straßenverkäufer mit Mütze und Mantel an einem Wintertag, der auf einem gestreiften Teppich sorgfältig arrangierte Schneebälle in verschiedenen Größen verkauft. Ein absurdes Unterfangen, das als Kritik an der Konsumgesellschaft und an der Kunstwelt selbst gesehen werden kann und gleichzeitig Fragen der Ausgrenzung und des Rassismus sowie die soziale Situation von Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen thematisiert. Das Kunstwerk dient als Leitmotiv für die Ausstellung „rich & poor“, da es einerseits zutiefst gesellschaftskritisch ist, sich aber auch durch eine außergewöhnliche Leichtigkeit und eine beeindruckende ästhetische Bildsprache auszeichnet.
Die Ausstellung umfasst Werke von Lamia Maria Abillama, Iris Andraschek, Andrea Appiani, Josef Beuys, Pieter Bruegel dem Älteren, Alice Creischer, Friedl Dicker-Brandeis, Hermann Drawe, Albrecht Dürer, Peter Fendi, Thomas Feuerstein, Luca Giordano, Malek Gnaoui, Jim Goldberg, Nan Goldin, Lauren Greenfield, Georg Grosz, David Hammons, John Heartfield, Thomas Hirschhorn, Johann Baptist Höchle, Siggi Hofer, Johanna Kandl, Käthe Kollwitz, Hubert Lobnig, Meister S. H., Fernando Moleres, Michelangelo Pistoletto, Sigmar Polke, Lisl Ponger, Projeto Morrinho, Thomas Rentmeister, Oliver Ressler, Rembrandt van Rijn, Isa Rosenberger in Zusammenarbeit mit Martina Berisha, Margaret Carter und Martha Vollnhofer, Andreas Siekmann, Anna Skladmann, Klaus Staeck, Thomas Struth in Zusammenarbeit mit Obdachlosen, Rosemarie Trockel, Il Vecchietta, Ferdinand Georg Waldmüller, Albrecht Wild, Krzysztof Wodiczko, Paolo Woods, sowie historische Künstler, deren Namen nicht überliefert sind.
Zur Ausstellung ist ein Katalog mit einer Einführung von Johanna Schwanberg, einem Essay der Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat und Interviews mit dem Leiter der Armutskonferenz, Martin Schenk, und dem Ökonomen Stephan Schulmeister erschienen.