Hedy Lamarr, die glamouröse Leinwandlegende der 1930er und 1940er Jahre, war nicht nur ein hübsches Gesicht – sie war ein Genie und sie war Österreicherin. Ihre Frequenzsprungtechnologie ist die Grundlage für die heutigen WiFi-, Bluetooth- und GPS-Systeme. Die Erfinderin mit dem Spitznamen „Mutter des WiFi“ unterstreicht mit ihrem Vermächtnis den Beitrag von Frauen zu Wissenschaft und Technik.
Diana Mautner Markhof, 11. April 2022
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Die breite Öffentlichkeit kennt Hedy Lamarr als Leinwandlegende aus Hollywood-Blockbusterfilmen der 1940er Jahre wie Samson und Delilah (1949) und White Cargo (1942). Doch Hedy Lamar war nicht nur eine der schönsten Frauen der damaligen Zeit, sondern auch eine bedeutende Erfinderin. Zusammen mit dem Komponisten George Antheil erfand sie 1940 eine neue Technologie, die auf dem „Frequenzsprungverfahren“ basierte und die Grundlage für WiFi und Bluetooth bildete.
Ursprünglich war dieses außergewöhnliche und neuartige Kommunikationssystem dazu gedacht, Torpedos auf ihre Ziele zu lenken. Dieses Funkleitsystem funktionierte durch „Frequenzsprünge“, wobei Sender und Empfänger zwischen den Funkfrequenzen „hüpften“, um ein Abhören zu verhindern. Antheil und Lamarr ließen ihre Erfindung im August 1942 unter der US-Patentnummer 2.292.387 beim US-Patentamt patentieren.
Hedy Lamarr im Jahr 1935 in Salzburg. © Anthony Loder Archiv
Hedy Lamaar wurde am 9. November 1914 als Hedwig Eva Kiesler in Österreich als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie geboren. Ihr Interesse an der Technik wurde von ihrem Vater geweckt, der mit ihr auf langen Spaziergängen das Innenleben von Maschinen diskutierte. Ihr musikalisches und künstlerisches Talent hat sie von ihrer Mutter geerbt, die Konzertpianistin war.
Im Alter von 16 Jahren wurde sie von dem bekannten österreichischen Theater- und Filmregisseur und -produzenten Max Reinhard entdeckt. Sie nahm unter seiner Anleitung in Berlin Schauspielunterricht. Ihr Filmdebüt gab sie 1930 in dem deutschen Film Geld auf der Straβe (Money on the Street).
Erst 1932 nahm die Öffentlichkeit Notiz von ihrer Leistung in Ecstasy. Dieser Film war zu dieser Zeit sehr umstritten. Papst Pius XI. prangerte den Film in der Vatikanzeitung an, ebenso wie die katholische Legion des Anstands. Der Film wurde in den USA erst 1935 veröffentlicht, erhielt aber nicht das Gütesiegel des Hays Code, das eine breite Veröffentlichung in Amerika ermöglicht hätte. Ecstasy machte Lamarr auf Hollywoods Radar aufmerksam.
Obwohl Lamarrs kurzlebige Ehe mit Fritz Mandl, einem österreichischen Munitionshändler, nur von 1933 bis 1937 dauerte, erwarb sie Kenntnisse über Waffen, die ihr später bei ihrer bahnbrechenden Erfindung helfen sollten. Sie unterschrieb bei den MGM Studios, nachdem sie Louis B. Mayer während ihres Aufenthalts in London nach der Trennung von Mandl kennengelernt hatte. Der Film Algiers (1938) machte sie zu einem begehrten Star.
In Hollywood angekommen, zogen ihre erstaunliche Schönheit, ihre Anmut und ihr eleganter europäischer Akzent das Publikum und den exzentrischen Millionär Howard Hughes in ihren Bann, der ihren wissbegierigen wissenschaftlichen Geist förderte. Hughes machte sie mit führenden Wissenschaftlern und Technikern bekannt. Sie war ein autodidaktisches, erfinderisches, technisches Genie und half Hughes bei der Entwicklung schnellerer Flugzeuge für das US-Militär. Sie ließ sich von der Natur inspirieren und kombinierte die schnellsten Flossen von Fischen mit den Flügeln der schnellsten Vögel. Sie wird mit den Worten zitiert: „Dinge zu verbessern liegt mir im Blut.“
Sie galt als die schönste Frau ihrer Zeit. Sie war insgesamt sechs Mal verheiratet und hatte einen Sohn, Anthony Loder. 1953 nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an und wurde 1960 mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt.
Obwohl die US-Marine ihre Erfindung erst in den 1960er Jahren einsetzte und ihr US-Patent ablief, bevor sie daraus Kapital schlagen konnte, wurden sie und Antheil in späteren Jahren für ihre Erfindung geehrt. Das Gefüge unserer technologischen Gesellschaft basiert auf den Grundsätzen von Lamarrs und Antheils genialer Erfindung, die heute in Bluetooth-, GPS-, CDMA- und Wi-Fi-Technologie und -Kommunikationssystemen zum Einsatz kommt.
1997 verlieh die Electronic Frontier Foundation (EFF), die führende gemeinnützige Organisation zur Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten in der digitalen Welt, ihren Pioneer Award an Lamarr und Antheil. Im selben Jahr wurde Lamarr als erste Frau mit dem BULBIE Gnass Spirit of Achievement Award der Invention Convention ausgezeichnet, dem so genannten „Oscar der Erfinder“. Obwohl sie im Jahr 2000 im Alter von 85 Jahren starb, wurden Lamarr und ihr Miterfinder 2014 posthum in die US National Inventors Hall of Fame für ihre Erfindung aufgenommen. Lamarr wird heute als „die Mutter des Wi-Fi“ bezeichnet, was beweist, dass sie nicht nur schön war, sondern auch einen brillanten Verstand hatte.
Das Jüdische Museum Wien hat den Nachlass von Hedy Lamarr erworben, der Fotos, persönliche Briefe, Dokumente und Kleidung umfasst. Anthony Loder, der Sohn von Hedy Lamarr, hat dem Jüdischen Museum Wien auch ihre wertvollen Handzeichnungen von Torpedoabwehrsystemen, die als Vorläufer von Bluetooth gelten, vermacht. Von November 2019 bis Dezember 2020 zeigte das Jüdische Museum ihr zu Ehren eine Ausstellung: „Lady Bluetooth. Hedy Lamarr“. Der gesamte Nachlass von Hedy Lamarr wird schließlich in ihrem eigenen Hedy Lamarr Museum in Wien ausgestellt werden. Die Faszination für Hedy Lamarr hält an, und ihre Geschichte wird in einer demnächst erscheinenden achtteiligen Apple-TV-Serie „Hedy Lamarr“ mit der israelischen Schauspielerin Gal Gadot in der Hauptrolle behandelt.
Ihre letzte Ruhestätte befindet sich in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof, wo auch Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms ruhen. Zu Ehren von Hedy Lamarr vergibt die Stadt Wien seit 2018 den Hedy-Lamarr-Preis an innovative Wissenschaftlerinnen.