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Der ehemalige Oberflieger der österreichischen Bauentwickler sitzt seit Ende Januar in Untersuchungshaft. Aber wie konnte der einstige Superstar und Medienliebling der Branche, dessen stolzes Projektportfolio von den Topadressen Mitteleuropas bis zum Chrysler Building in New York reichte, so tief fallen? iGlobenews hat den Sturz des Benkos nachkonstruiert.

Es war ein raketenhafter Aufstieg, den der einstigen Schulabbrecher im Jahr 1995 mit dem Ausbau von Dachgeschoßen in seiner Heimatstadt Innsbruck gezündet hatte. Im Jahr 2000 gründete er die „Immofina“, sie wurde 2006 in Signa umbenannt. Benko, die große Überzeugungskraft und ein phänomenales Zahlengedächtnis nachgesagt werden, warb höchst erfolgreich um Investoren. Es floss viel Geld – woher genau, das konnte von Außenstehenden nicht immer nachvollzogen werden. Schon 2006 tauchte Benko in italienischen Ermittlungen auf, „bei denen es um Geldwäscheaktivitäten ging, die russischen kriminellen Organisationen mit Sitz am Gardasee zugeschrieben wurden“, wie es in italienischen Justizakten heißt. Bestätigen ließ sich der Verdacht der Carabinieri damals jedoch nicht.

Die Warenhauskette Galeria/Karstadt/Kaufhof erhielt zur Erhaltung der Arbeitsplätze 2021 ganze 460 Millionen Euro und 2022 erneut 250 Millionen Euro Kredit vom deutschen Steuerzahler. Gleichzeitig machte die Signa Holding im selben Jahr 800 Millionen Euro Gewinn, Benko zahlte sich selbst 100 Millionen Euro Dividende aus, entließ aber trotzdem 4000 Mitarbeiter und schloss 41 Filialen, berichtete die Wiener Zeitung im Februar 2023.

Im November 2023, schlitterte der Tiroler Immobilienentwickler Benko mit seiner Signa Holding in die größte Insolvenz der zweiten Republik Österreich. Der Schuldenberg von Benko wird auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt – Tendenz steigend. Die gravierenden strafrechtlichen Vorwürfe gegen den 47-jährigen: Verfälschte Investitionen – „Geldkarussell“, fragwürdiger Verkauf der Villa Eden Gardone, Verschleierung von Vermögenswerten, mögliche Beweismittelfälschung, unklare Mittelverwendung beim Immobilienprojekt Franz in München, unrechtmäßige Corona-Hilfen für Chalet N in Oberlech, Irreführung der Schelhammer Capital Bank zur Kreditverlängerung, Postenschacher um Thomas Schmid.

Benko soll außerdem ein Geldkarussell inszeniert und dabei Geldgeber betrogen haben – er habe vorgetäuscht, zu investieren, was in Wahrheit nicht erfolgt sei. Die WKStA untersucht derzeit den Verdacht, dass Investoren verleitet worden wären, sich an einer Kapitalerhöhung der Signa Holding zu beteiligen, während fälschlicherweise suggeriert wurde, dass auch die Benko Privatstiftungen finanziell einspringen. Demnach sollen rund 35 Mio. Euro, die von anderen Investoren bereits einbezahlt wurden, im Kreis zirkuliert worden sein, wie die Ermittler vermuten.

Seit dem 23 Jänner 2025 sitzt Benko in Untersuchungshaft.

Der aus bescheidenen Verhältnissen kommende Unternehmer galt Jahrzehnte lang als Wunderkinder der Immobilienbranche. Mit seiner Signa Holding erwarb er einige Prunkpalais in der Wiener Innenstadt, prägte ganze Stadtbilder – etwa das Goldenen Quartier im ersten Wiener Bezirk – und ließ sowohl im In- und Ausland markante Hochhäuser errichten, beispielsweise den Elbtower in Hamburg, der heutzutage als unfertige Bauruine an Benkos Pleite erinnert.

Die deutschen Einzelhandelsgruppen Karstadt und Kaufhof gehörten ebenso zu seinem imposanten Portfolio wie auch das legendäre Chrysler Building in Manhattan. Benko brachte seinen Onlinesporthändler Signa Sports United vorübergehend sogar an die Wall Street.

Im Wirtschaftsmagazin Trend formulierte Benko seine Firmenvision „Signa soll eine europäische Industrie- und Beteiligungsholding im Familienbesitz sein, ähnlich wie die Familienholdings der Agnellis, Oetkers oder Reimanns“. Im Jahr 2011 wurde Benko erstmals vom Trend zum Mann des Jahres ernannt, sechs Jahre später schon wieder – diese Mehrfach-Ehrung hatte es beim Trend zuvor noch nie gegeben. Die deutschen Medien streuten ihm ebenso Rosen. Das Handelsblatt ernannte Benko 2018 zum „Strategen des Jahres“. Ein Jahr später zählte ihn das Magazin Forbes 2019 mit einem Vermögenswert von 4,6 Mrd. Euro sogar zu den reichsten Menschen der Welt.

Benko der an seinem luxuriösen Lebensstil bis zu seiner Festnahme festhielt, nutzte seine Privatstiftungen, in denen Vermögenswerte in dreistellige Millionenhöhe gebunkert sind, zu dessen Finanzierung. Der Hauptbegünstigte dieser Privatstiftung ist seine Mutter Ingeborg Benko, eine pensionierte Kindergärtnerin.

Heute belastend Beweise in Form von E-Mails, Chats und Telefonprotokollen von Investoren, einem Insolvenzverwalter und ehemaligen Stiftungsvorständen den insolventen Tiroler. Der deutsche Fressnapf-Inhaber und Großinvestor Torsten Toeller soll ausgesagt haben, dass Benko sowohl in der Signa-Gruppe als auch in der Firmengruppe rund um seine Laura Privatstiftung (benannt nach Benkos Tochter Laura) als „allmächtiger Alleinherrscher“ handle.

Der Bauunternehmer und Signa-Investor Hans Peter Haselsteiner verwies auf Benkos Aussagen wie „die Mama kriegt immer von der Laura Privatstiftung das Geld“, „die Mama schenkt es mir“ und „die Mama kauft uns etwas ab“. Haselsteiner sagte auch, dass sich die Laura Privatstiftung niemals von sich aus in Verträge oder Vereinbarungen eingebracht habe – vielmehr sei stets Benko persönlich aktiv geworden. Demnach geht die WKStA davon aus, dass Benko die Belange der Stiftung wie ein Eigentümer lenke, unmittelbar über deren Vermögen verfüge und sich beträchtliche finanzielle Zuwendungen zur Finanzierung seines opulenten Lebensstils aneigne.

Als „aufdeckend“ nannte die WKStA einen Chat, in dem ein Mitarbeiter fragte „René, darf ich mir 1,5 Millionen aus der LPS (Laura Privatstiftung, Anm. der Redaktion) nehmen, um das Finanzamt auf den verschiedensten Ebenen zu bedienen?“ – worauf Benko binnen Sekunden zustimmte.

Die Grünen-Politikerin Nina Tomaselli setzt sich jetzt dafür ein, dass Stiftungen transparenter werden. Künftig soll etwa die sogenannte Stiftungszusatzurkunde offengelegt werden müssen, sodass alle Begünstigten der Stiftung namhaft gemacht werden. Stiftungen sollen zudem, wie Kapitalgesellschaften, dazu verpflichtet werden, ihre Jahresabschlüsse publik zu machen. Außerdem brauche es bei den Finanzämtern spezialisierte Branchenteams, die Privatstiftungen detailliert analysieren. Zu all diesen Themen plant Tomaselli bereits in der kommenden Nationalratssitzung Ende Februar einen sogenannten Entschließungsantrag einzubringen.

„Missbräuche gibt es leider bei jeder Rechtsform,“ sagte Rechtsanwalt Dr. Werner Loibl gegenüber iGlobenews. Privatstiftungen seien prinzipiell eine vernünftige Form, Vermögen im Land zu halten, eine Änderung der Privatstiftungsgesetzes würden diese wahrscheinlich unattraktiver machen, und dem Wirtschaftsstandort Österreich schaden, sagte er. Loibl halte wenig von Anlassgesetzgebung, sonst „schüttet man das Kind mit dem Bad aus.“

Die Festnahme Benkos wirft auch ein Schlaglicht auf die Aufsichtsratsfunktionen prominenter Persönlichkeiten wie Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, Ex-FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn, Ex-Raiffeisen-International-Vorstand Karl Sevelda und Ex-Bank-Austria-Chef Karl Samstag. Alle vier waren im Aufsichtsrat der SIGNA Tochter Signa Prime Selection tätig und hätten die zweifelhaften Geschäftspraktiken der Benko-Geschäftsführer sowie ihres nun inhaftierten Hauptakteurs eigentlich kontrollieren sollen.

Sowohl Gusenbauer, Riess-Hahn als auch Sevelda versuchten, die kollabierenden Signa rechtzeitig zu verlassen und traten im Februar 2024 aus dem Aufsichtsrat aus. Doch die Festnahme Benkos könnte sie nun erneut ins Zentrum der Ermittlungen rücken. Laut Masseverwalter Norbert Abel hätten auch sie die Interessen der Gläubiger erheblich geschädigt. Daher verschickte Abel im Januar Haftungsbriefe an die ehemaligen Aufsichtsräte und machte sie für einen Schaden von mehr als 1 Mrd. Euro verantwortlich. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Ob und wie es zukünftig möglich sein wird, solche hohen unternehmerischen Risiken, die bei nicht-gelingen enorme Staatsausgaben auf Kosten der Steuerzahler verursachen, zu limitieren, werden die kommenden Monate zeigen. Bisher hat Benko zu den Vorwürfen gegen ihn geschwiegen.

Bild: Elbtower Baustelle der insolventen Immobilienunternehmens Signa. 20.08.2024, Hamburg, GER – Hochhaus Rohbau mit Kran und Schriftzug Signa. © IMAGO / Dirk Sattler
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